Das große Potenzial von Energiegemeinschaften und wie es genutzt werden kann
 

Der Anteil der Erneuerbaren betrug in Deutschland im ersten Halbjahr 2022 43,8 Prozent. Bis 2030 soll er auf 65 Prozent steigen. Um dieses Ziel zu erreichen, werden viele unterschiedliche Maßnahmen diskutiert. Lokale Energiegemeinschaften und die Umsetzung der Sektorenkopplung in Quartieren und Städten kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Kiwigrid beobachtet die Entwicklungen ringsum Energiegemeinschaften in Deutschland und Europa schon seit mehreren Jahren und unterstützt in Kooperation mit dem Schweizer Energieversorger IWB bereits konkrete Projekte in der Schweiz.

In diesem Blog geben wir einen Überblick darüber, was sich hinter Energiegemeinschaften verbirgt und inwiefern sie einen Beitrag zum Gelingen der Energiewende leisten können. Wir werfen außerdem einen Blick auf die Regulatorik und Entwicklung von Energiegemeinschaften in verschiedenen europäischen Ländern.

Was sind Energiegemeinschaften?

In der 2018 zuletzt überarbeiteten EU-Richtlinie RED II (Renewable Energy Directive) werden Energiegemeinschaften als „Bündelung von Energieerzeugung und -verbrauch zur Förderung der kollektiven Beteiligung kleinerer Akteure am Energiemarkt und zum Ausgleich des Energiesystems auf dezentraler Ebene“ definiert. Energiegemeinschaften sorgen also für eine lokale Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen, die im unmittelbaren Umfeld verbraucht werden können. In der Schweiz werden sie auch als Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch (ZEV) bezeichnet.

In der EU-Richtlinie werden vier verschiedene Level von Energiegemeinschaften unterschieden:

  • Die Vorstufe zur Energiegemeinschaft: Erneuerbarer Eigenverbraucher (Renewable self-consumer)
  • Kollektiver Eigenverbrauch (Collective Self-Consumption, CSC)
  • Erneuerbare Energiegemeinschaften (Renewable Energy Communities, REC)
  • Bürgerenergiegemeinschaften (Citizen Energy Communities, CEC)

Als Erneuerbarer Eigenverbraucher gilt ein Endkunde, der Strom aus erneuerbaren Energien für seinen eigenen Verbrauch erzeugt und diesen speichert oder verkauft. Das kann beispielsweise eine Eigenheimbesitzerin mit einer PV-Anlage sein, die ihre selbsterzeugte erneuerbare Energie nicht nur direkt selbst verbraucht, sondern bei einem PV-Überschuss speichert und weiterverkauft. Sobald mindestens zwei solcher Selbstverbraucher*innen, die im gleichen Haus leben, miteinander agieren, kann von kollektivem Eigenverbrauch gesprochen werden. Ein Beispiel ist in Deutschland dafür der sogenannte Mieterstrom.

Bei den Erneuerbare Energiegemeinschaften (REC) wie auch bei den Bürgerenergiegemeinschaften (CEC) handelt es sich um autonome Gemeinschaften, die auf offener und freiwilliger Beteiligung von Personen, KMU oder lokalen Behörden beruhen. Ihr Hauptzweck ist nicht die Erzielung finanzieller Gewinne, sondern die Erzielung ökologischer, wirtschaftlicher oder sozialer Vorteile für Anteilseigner, Mitglieder und die Region. Während Erneuerbare Energiegemeinschaften räumliche Nähe voraussetzen und auf physisch vernetzten Zählern und Energieanlagen in räumlicher Nähe beruhen, sind Bürgerenergiegemeinschaften rein virtueller Natur. Ein Beispiel dafür wäre eine Einfamilienhaussiedlung in Bremen, die mit einem Quartier in Hamburg vernetzt ist.

Vorteile von Energiegemeinschaften

Im Clean Energy Package hat die EU die Rolle von Energiegemeinschaften als entscheidende Treiber der Energiewende anerkannt. Energiegemeinschaften organisieren kollektive und bürgernahe Energieaktionen, die den Weg für eine saubere Energiewende ebnen und die Bürger in den Vordergrund rücken. Sie tragen dazu bei, die öffentliche Akzeptanz für Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien zu erhöhen, und erleichtern private Investitionen in die saubere Energiewende. Gleichzeitig bringen sie den Bürger*innen direkte Vorteile, indem sie die Energieeffizienz erhöhen und Stromrechnungen senken. Energiegemeinschaften können außerdem dazu beitragen, das Stromsystem durch Demand-Response und Speicherung zu stabilisieren und Flexibilitäten zu nutzen.

Energiegemeinschaften in der EU

Die EU-Richtlinie RED II zielt darauf ab, die Rolle von Selbstversorgern und Gemeinschaften, die erneuerbare Energien nutzen, zu stärken. Derzeit finden sich europaweit viele unterschiedliche Formen von Energiegemeinschaften und verschiedene Länder setzen die Konzepte ganz unterschiedlich um. In Spanien existiert bereits ein eigenes rechtliches Rahmenwerk für Energiegemeinschaften, in vielen anderen Ländern wird es gerade entwickelt. In einigen EU-Mitgliedstaaten sind Bürgerenergiegemeinschaften bereits auf Gebäudeebene (z. B. Mehrfamilienhaus) erlaubt, in einigen Ländern werden sie sogar bereits auf die Blockebene (mehrere Gebäude) ausgeweitet.

In Deutschland gibt es mit dem „Mieterstrom“ bereits einen lokalen Ansatz für kollektiven Eigenverbrauch, bei dem Strom an Mieter*innen innerhalb eines Wohngebiets (und nicht nur im selben Gebäude) verkauft werden kann. Beim Mieterstrom-Konzept wird jedoch noch nicht das Schlüsselkonzept des Teilens von Energie des Clean Energy Package berücksichtigt.

Die Schweiz hat 2018 den sogenannten "Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV)" eingeführt, der es Eigentümer*innen oder Mieter*innen und Vermieter*innen in Mehrfamilienhäusern sowie Nachbarn erlaubt, gemeinsam Strom hinter dem Zähler zu produzieren und zu verbrauchen. Der Preis, der für den Solarstrom pro kWh berechnet wird, darf dabei nicht höher sein als der Preis, der für extern bezogenen Strom gezahlt wird.

Wie Kiwigrid zum Erfolg von Energiegemeinschaften beiträgt

Kiwigrid fokussiert mit seinen Produkten The Independent Home (TIH) und den HEMS-APIs darauf, die softwareseitige Basis für optimales Energiemanagement im Eigenheim bereitzustellen. Für Energiegemeinschaften hat Kiwigrid bisher in vereinzelten Projekten zugeschnittene Produkte für individuelle Anwendungsfälle bereitgestellt. Basierend auf seiner Energy-IoT-Plattform KiwiOS kann Kiwigrid für Energiegemeinschaften das notwendige Energiemanagement sowie die Verwaltung und Aufarbeitung der Dateninfrastruktur zur Verfügung stellen. Damit können die Stromzähler verschiedener Wohnungseinheiten, PV-Anlagen, Ladestationen sowie Wärmepumpen als Teil einer Energiegemeinschaft zusammengeschlossen, intelligent gesteuert und verwaltet werden. Zudem kann Kiwigrid die Implementierung der Zusammenschlüsse systemseitig für Energieversorger vereinfachen, das Anlegen von Bilanzkreisen automatisieren und den Zählerwechsel anwenderfreundlicher machen.

Durch die bei vergangenen Projekten gesammelte Erfahrungen steht Kiwigrid in den Startlöchern, ein passendes Produkt zu entwickeln, sobald die Verbindung von Einfamilienhäusern zu Energiegemeinschaften in Deutschland an Fahrt aufnimmt.

Kiwigrid unterstützt Schweizer Energieversorger beim Aufbau von Energiegemeinschaften

Ein erstes großes Projekt hat Kiwigrid kürzlich mit der IWB in der Schweiz umgesetzt: Die beiden Unternehmen haben gemeinsam ein Software-Produkt für Energiemanagement und zur Anlagenverwaltung entwickelt. Auf dem Westfeld in Basel wird eine dezentrale und hocheffiziente Energieversorgung realisiert. Als Experte für Energiemanagementsysteme und IoT für erneuerbare Energien war Kiwigrid dafür der optimale Partner. Das Westfeld hat den Startschuss für die Partnerschaft markiert. Es soll indes nicht das einzige gemeinsame Projekt bleiben. IWB und Kiwigrid beabsichtigen, weitere Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch in der Schweiz zu realisieren, für die es bereits einige Interessenten gibt.

 

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