Vehicle-to-Home und HEMS: Ziemlich beste Freunde
 

Was wäre, wenn das vor dem Eigenheim geparkte Elektroauto das eigene Zuhause mit Strom versorgen könnte? Bei einer Batteriekapazität von 77 kWh ließe sich beispielsweise ein Einfamilienhaus ganze fünf Tage mit Strom versorgen. Das sogenannte Vehicle-to-Home (V2H) ist in den nächsten zwei Jahren der spannendste Anwendungsfall für bidirektionales Laden – noch vor Vehicle-to-Grid (V2G). Warum das so ist, erklären wir in diesem Blogpost.

Was bedeutet Vehicle-to-Home?

Elektroautos werden in Zukunft nicht nur Transportmittel sein, sondern als Speicher wertvolle Flexibilitäten für das Stromnetz darstellen. Das wird möglich, indem sie nicht nur geladen und zum Fahren genutzt werden, sondern den gespeicherten Strom bei Bedarf auch z.B. wieder ins Eigenheim speisen können - dieser Vorgang heißt V2H. Sie agieren in diesem Fall wie ein Heimspeicher. Die SachsenEnergie AG hat es auf ihrem Blog perfekt erklärt:

„Bidirektionales Laden ist besonders für Eigenheimbesitzer interessant. Das Auto kann dabei als Energiespeicher genutzt werden: Steht das E-Auto also tagsüber nur und ist mit dem Strom verbunden, können die Solarzellen auf dem Hausdach überschüssigen Strom, der nicht direkt verbraucht wird, im Auto-Akku einlagern. Wenn nachts keine Energie mehr gewonnen wird, kann ein kompletter Haushalt problemlos über mehrere Stunden mit der Batterieladung des Autos versorgt werden: TV, Licht, Küche – alle Verbraucher im Haushalt gemeinsam sind dennoch keine Herausforderung für eine durchschnittliche E-Auto-Batterie mit inzwischen 70 Kilowattstunden Kapazität und mehr.”

V2H kann auch mit zeitvariablen Stromtarifen – sogenannten Time-of-Use-Tarifen – gekoppelt werden. In Zeiträumen hoher Strompreise wird der Strom aus der Autobatterie genutzt, um teuren Strombezug aus dem Netz zu vermeiden. Das hilft nicht nur Endkund*innen Strombezugskosten zu sparen, sondern entlastet auch das Netz.

Weshalb sollte V2H mit einem HEMS vernetzt werden?

Nur in Verbindung mit einem HEMS werden Interoperabilität der Geräte, Entscheidungsfreiheit bei Endkund*innen über ihre Wunschgeräte und bestmögliche Energieoptimierung im Eigenheim garantiert. Denn das Potenzial von V2H erschließt sich erst wirklich in Kombination mit einer PV-Anlage.

In der überwiegenden Mehrheit der zukünftigen Installationen werden Wallbox und PV-System von unterschiedlichen Herstellern kommen und die Vernetzung mit einem HEMS unverzichtbar machen. Weshalb? Nicht jeder PV-Wechselrichter-Hersteller wird eine bidirektionale Wallbox an den Markt bringen. Gleichzeitig sind die derzeit erfolgreichsten Wallbox-Hersteller wie Alfen, Webasto, Mennekes, ABL, Keba, Easee oder Wallbox Chargers allesamt keine Hersteller von PV-Wechselrichtern. Das wird dazu führen, dass unzählige Kombinationen aus Geräten verschiedener Hersteller verbunden werden müssen.

Nicht jede der möglichen Kombinationen wird ohne externe Hilfe durch ein HEMS miteinander kommunizieren können, denn für die Kommunikation von PV-System und Wallbox gibt es noch keinen Industriestandard, so wie es ihn beispielsweise mit ISO 15118 für die Kommunikation von Elektroauto zu Wallbox gibt.

Am Beispiel eines Installationsschemas mit PV-Anlage, eines DC-gekoppelten Batteriespeichers, einer bidirektionalen DC-Wallbox und einer SG-Ready-Wärmepumpe zeigt sich, wie sinnvoll es ist, diesen Gerätepark über ein hersteller- und sektorübergreifendes HEMS zu vernetzen.

Wir haben an dieser Stelle bewusst auch sämtliche Systeme skizziert, die für V2G notwendig sind, um die unterschiedliche systemische Komplexität von V2H und V2G aufzuzeigen.


Die klaren Mehrwerte von V2H in Kombination mit HEMS für Endkund*innen

Endkund*innen und Installateuren bietet die Vernetzung von V2H mit einem hersteller- und sektorübergreifenden HEMS zukunftssichere Interoperabilität und Entscheidungsfreiheit über die Geräte.

Selbst wenn die Mehrheit der Installateure herstellerhomogene Systeme empfehlen, mag dies nicht zwingend die Bedürfnisse der Endkund*innen befriedigen. Beispielsweise spielen bei der täglich im Carport sichtbar installierten Wallbox emotionale Faktoren wie Design oder Passfähigkeit mit der Automarke eine viel größere Rolle als beim PV-Wechselrichter, der im Hausanschlussraum versteckt ist.

Wenn das HEMS nicht nur herstellerübergreifend Wallbox mit PV-System, sondern auch die Wärmepumpe und den intelligenten Zähler vernetzen kann, dann kennt das HEMS mehr Parameter, die für die ganzheitliche Energieoptimierung des Hauses wichtig sind, als es die einzelne Wallbox oder der einzelne Wechselrichter jemals könnten. Das HEMS realisiert die Sektorenkopplung der Bereiche Strom, Mobilität und Wärme im Eigenheim.


Welche finanziellen Einsparpotenziale ermöglicht V2H in Verbindung mit einem HEMS?

Ein entscheidender Grund für den Erfolg, den V2H bei Endkund*innen haben wird, ist die finanzielle Ersparnis. Auch ohne V2H ermöglicht HEMS durch die Maximierung des Eigenverbrauchs und Energieflussoptimierung bereits signifikante Ersparnisse. V2H optimiert den Eigenverbrauch des selbsterzeugten Stroms weiter und senkt damit die Restrombezugskosten noch mehr.

In dieser Tabelle haben wir für einen Haushalt mit einem jährlichen Verbrauch von 6.000 kWh skizziert, wie sich V2H auswirkt. Es zeigt sich: Durch die Nutzung der Autobatterie verdoppelt sich der Autarkiegrad nahezu. Die Kund*innen sparen durch den verringerten Strombezug aus dem Netz weitere 346 € pro Jahr.

Das weitere Potenzial von bidirektionalem Laden: Vehicle-to-Grid

Neben dem bidirektionalen Laden zu Hause gibt es noch eine weitere Perspektive: Mithilfe der Flexibilität der Autobatterie kann das Netz stabilisiert werden. Während V2H hilft, den Energiebedarf eines einzelnen Gebäudes zu optimieren, bietet V2G die Möglichkeit, Netzdienstleistungen bereitzustellen. Dies beinhaltet sowohl das lokale Netzengpassmanagement im Verteilnetz als auch Systemdienstleistungen in Form von Regelenergie oder Redispatch für das Übertragungsnetz.

V2G wird zukünftig eine starke Rolle spielen. Allein im Jahr 2020 gingen 6.100 Gigawattstunden aus erneuerbaren Energien durch Einspeisemanagementmaßnahmen verloren. Über eine intelligente Verteilung hätten damit 2,5 Millionen Elektroautos geladen werden können. Statt Wind- und PV-Anlagenbetreiber*innen für Abregelungen zu entschädigen, könnten Elektroautobesitzer*innen an den Netzdienstleistungen ihrer Autos Geld verdienen.

Grundsätzlich bietet V2G Ladeinfrastrukturbetreibern einen größeren Mehrwert als es V2H allein tut, birgt allerdings auch die größere technische und regulatorische Komplexität. Zudem ist der Weg zu einer hohen Marktdurchdringung von V2G in Deutschland noch weit, denn sie bedarf einer weitreichenden Verbreitung von Smart Metern. Von diesen wurden laut Bundesnetzagentur bis Ende 2020 jedoch nur 25.000 von insgesamt rund acht Millionen Stück verbaut.

Jan Lehmann, Teamlead Product Management bei Kiwigrid, ergänzt: “V2H alleine kann einen entscheidenden Beitrag zur Systemstabilität beitragen. So erzeugen viele Elektroautos und Wärmepumpen oftmals einen hohen gleichzeitigen Strombedarf. Für diesen Bedarf müssen (teure) Kapazitäten vorgehalten werden. Durch V2H kann der gleichzeitige Strombedarf reduziert werden, indem der Strom beispielsweise bei hohen Heizlasten der Wärmepumpe aus den Batteriespeichern der Autos bezogen werden. Ein dynamischer Tarif erhöht den Systemnutzen noch einmal deutlich. Dann nämlich können Autobatterien in Zeiten von viel PV- und Windüberschuss geladen und in Zeiten von hohen Lasten und wenig Überschuss entladen werden und somit das Netz deutlich entlasten.”

Welche Herausforderungen muss V2H auf dem Weg zur Marktreife noch bewältigen?

Der Nutzen von V2H für Installateur*innen, Endkund*innen und das Netz ist klar. Doch noch fehlen die Autos und Ladestationen, Infrastruktur und ein Kommunikationsstandard, um V2H zu verbreiten.

Zum einen mangelt es an preislich erschwinglichen bidirektional ladefähigen Wallboxen und Elektroautos. Zum anderen wurde auch für den bis dato zugelassenen Elektroautobestand ausschließlich unidirektional ladefähige Infrastruktur verkauft.

Weiterhin bedarf es eines gemeinsamen Standards, der von allen Automobil- und Wallboxherstellern unterstützt wird. Ein solcher Standard befindet sich in Entwicklung: “Die ISO 15118 ist eine Normenreihe, die neben der Basiskommunikation zwischen Elektroauto und Ladepunkt zentrale Mehrwertfunktionen ermöglichen wird.” (NPM) Wird der ISO-15118-Standard von Auto und Ladesäule unterstützt, kann der Ladestand der Autobatterie an die Ladesäule und von dieser an das HEMS übertragen werden. Ohne den Standard bleibt der Ladestand unbekannt. Das heißt, HEMS oder Wallbox wissen nicht, wie viel Kapazität die Autobatterie noch hat oder wie viel Ladung gebraucht wird, um die für den nächsten Tag geplanten Distanzen zu bewältigen.

Entscheidend ist es deshalb, dass die Kommunikation standardisiert wird und ISO-15118 marktübergreifend implementiert wird. Für die Verbreitung des Standards spielen große Automobilhersteller eine wegweisende Rolle. Der Volkswagen-Konzern geht mit seiner Verkündung, bidirektionales Laden auf der Basis des ISO-15118-Standards zu unterstützen mit gutem Beispiel voran.
 

Die spannenden Möglichkeiten, die bereits bestehen, bevor V2H auf den Markt kommt

Es wird zwar unserer Einschätzung nach noch etwa zwei Jahre dauern, bevor die Marktdurchdringung von bidirektionalem Laden so weit vorangeschritten ist, dass V2H weitreichend genutzt wird. Doch Elektroautos zu mehr als nur zum Fahren und mit signifikanten finanziellen Vorteilen zu nutzen, ist längst keine Zukunftsmusik mehr.

Schon heute ermöglicht unser Produkt The Independent Home Besitzer*innen von Elektroautos spürbare Kostenvorteile von bis zu 500 Euro pro Jahr, indem das Auto zu Hause intelligent bevorzugt mit PV-Überschussstrom geladen wird. Über das solaroptimierte Laden hinaus, wurde die Nutzung des Elektroautos als Stromspeicher und wichtiger Aspekt der Eigenverbrauchsoptimierung bereits vor einigen Jahren bei Kiwigrid im Rahmen eines Kundenprojekts in der Praxis erprobt. Von unserer Erfahrung in diesem Bereich sollen auch unsere Endkund*innen profitieren. Die V2H-Funktionalitäten implementieren wir voraussichtlich noch 2022 in unsere Produktlandschaft “The Independent Home”  – auch V2G-Anwendungen stehen selbstverständlich auf der Roadmap.

 

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